Thomas Battenstein im Gespräch mit Nadja Gremmel für Ruhr-Online:
N.G. Mit MOMENTS führst Du Deine Tradition weiter, mit einer Band gemeinsam Deine musikalischen Ideen zu realisieren. Wieviel und welchen Einfluss hatte diese Zusammenarbeit auf dieses Album?
T.B. Eine feste Bandformation, mit der ich auch live aufgetreten bin, hatte ich bei meinem fünften Album QUARTIER LATIN. Seitdem besteht zu den Musikern ein so guter Kontakt, dass man spontan zusammen arbeiten kann. Der ausgezeichnete Bassist Konstantin Wienstroer spielt diesmal bis auf eine Ausnahme Kontrabass. Sein persönlicher Stil trägt somit maßgeblich zum Charakter der CD bei. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit Knut Schütze (Conga und Percussion) begann schon 1995 beim vierten Album RAIN IN SPAIN, auf dem ich erstmals konsequent spanische und südamerikanische Einflüsse verarbeitet habe. Knut war dann beim nächsten Album QUARTIER LATIN und beim siebten BLUE SUNDAY wieder dabei. Zu den Studiosessions von MOMENTS brachte er diesmal noch seinen Percussion-Freund Joachim Brink mit, der bei fünf Titeln vor allem durch seine exzellenten Bongos für eine zusätzliche Klangfarbe sorgt.
N.G. Zwei 'neue' alte Einflüsse lassen sich auf MOMENTS erkennen: Rock-Elemente und Blues. Wirst Du Dich ihnen in Zukunft vielleicht verstärkt widmen (Viele der vorherigen Alben bargen ja oft einen Anklang auf das folgende Werk in sich)?
T.B. Ich bin der Auffassung, dass MOMENTS das bisher jazzigste Album ist, von den Latin-Einflüssen einmal abgesehen, die sich allein schon durch die Rhythmik und Instrumentierung ergeben. Klar ist aber auch, dass ich die Rock- und Blueseinflüsse nie verstecke und nach Lust und Laune einfließen lassen kann. Es ist eine Stimmungsfrage. Und wie ich heute noch nicht wissen kann, was mir das Jahr 2000 bringt, ist noch völlig offen, was für neue Musik entstehen wird. Vielleicht wieder ein reines Soloalbum - vergleichbar mit der dritten CD ÎLE D'YEU. Vielleicht gibt's auch erst einen Sampler.
N.G. Die Zusammenstellung und Reihenfolge wirken auf mich wie musikalische Beschreibungen konkreter Stimmungen und Tageszeiten im Süden. Was hat Dich zu diesen Stücken inspiriert?
T.B. Die Kompositionen zu MOMENTS entstanden überwiegend im Sommerurlaub auf der erwähnten französischen Atlantikinsel. Dort gewinne ich den Abstand zum Alltag, kann Ideen entwickeln und mich auf mein Instrument konzentrieren. Der Kontakt zur Natur, mit ihrem Tages- und Stimmungsablauf schärft die Sinne. Die Gefühle werden differenzierter. Denn eine an sich positive Lebenseinstellung kann auch am schönsten Strand mit Melancholie gepaart sein. Das empfinde ich als sehr fruchtbar.
N.G. Willkommen, Abschied und Aufbruch zu neuen Ufern – kurz, viel Fortbewegung – klingt in diesem Werk an. Wenn BLUE SUNDAY für eine nicht enden wollende schöne Zeit an einem schönen Ort stehen könnte, höre ich in MOMENTS viel mehr das Fortschreiten der Zeit (nur in THROUGH THE NIGHT hat man das Gefühl, die Zeit solle sich ausdehnen, um den majestätischen Eindruck eines Sternen übersääten Himmels gerecht zu werden). Spielte das Thema Zeit, das ja schon im Titel MOMENTS anklingt, eine Rolle bei Deiner Konzeption?
T.B. Für mich ist Musik immer Ausdruck zeitlicher und räumlicher Abläufe: Tageszeiten, Jahreszeiten, Gefühle, Nähe, Distanz und bestimmte Momente, die sich besonders einprägen. Augenblicke des Innehaltens, eine einmalige Stimmung, ein Glücksmoment, der einem Gänsehaut verursacht. Das erfährt man mit Menschen, in der Natur, das erlebe ich mit Musik. Wunderbar, wenn ein Stück ein Teil von mir geworden ist. Musik als emotionale Ausdrucksform kann alles Wichtige im Leben reflektieren. Der Titel THROUGH THE NIGHT setzt viel davon um: Einen Sommerabend am Atlantik, der klare Sternenhimmel, Gefühle zu einem geliebten Menschen, ein nächtliche Aufnahme-Session im Tonstudio, am Morgen erschöpft aber zufrieden und glücklich.
N.G. SHAMAN'S DANCE erinnert mich an Einflüsse außerhalb Europas (kubanisch/afrikanisch). Hast Du Dich in letzter Zeit verstärkt mit sogenannter 'Weltmusik' auseinandergesetzt?
T.B. Nicht speziell, aber Du hast die rhythmischen Einflüsse exakt herausgehört. Knut Schütze an den Congas ist Spezialist für diesen afro-kubanischen Stil, der hier mit schnellen Arpeggien auf der Akustikgitarre korrespondiert. Dagegen wirken die langen sphärischen Töne auf der fernen E-Gitarre. Es erinnert mich an einen ekstatischen Tanz, der zu tranceartigen Zuständen führen kann.
N.G. Vielen Dank für das interessante Gespräch und viel Erfolg für die Zukunft! |